Donnerstag, 10. Juli 2008
twitter - oder: you get what you give?
in letzter zeit passiert es mir immer häufiger, dass ich mitteilungswertes erst mal twitter (twittere?), später aber merke, dass es mich nicht immer befriedigt, meine gefühle/ geschichten/ ideen/ beobachtungen / hinweise in 140 zeichen zu packen. die dinge sind ja manchmal einfach komplexer oder man möchte sich mal über die kleinen widrigkeiten des lebens der kathartischen funktion wegen in aller ausführlichkeit auslassen.

ergo: ich bekomme wieder mehr lust auf bloggen und blogs zu lesen.

aber weiter noch zu twitter:

gestern mußte ich feststellen, dass der umgang mit social networks auch erst gelernt werden muss. ein freund von mir hat es versucht und gemerkt, dass das gerade noch nix für ihn ist.
mißverständnisse, kommunikation-
erwartungshaltungen, was sagt man, was nicht, wie geht man damit um, dass freunde sich im netz eben mit einer virtuellen persona entwerfen, wenn alle mitlesen, wie viel privates tauscht man aus....etc.
erkenntnis für mich: man kann nicht unbedingt mit leuten, mit denen man im real life befreundet ist, auch im netz bzw. einem social network befreundet sein bzw. kommunizieren (umgekehrt gilt das natürlich noch viel mehr.), denn auch oder gerade ein sicial network erzeugt einen ganz eigenen sozialen druck und eigene umgangsformen.
da stehen wir wohl noch ganz am anfang einer sozialen und kulturellen umwälzung - diese welt wird eine andere sein.

interessante fragen nach identitätskonstruktion in twitter, myspace u.a., das problem z.t. nicht übertragbarer verhaltens- und kommunikationsweisen und erwartungen, etc. werden ja eher randständig in den dort reflektiert. vermute ich mal. gerade bei twitter stehen so gut wie immer die technischen bedingungen im vordergrund.

interessant sind die backlashs, die einige bei twitter (mich eingeschlossen) zu haben scheinen, sei es, dass sie weniger twittern oder ihre 'tweetqualität' nachlässt oder sie eben twitter an sich hinterfragen.
man muss sich das ja so vorstellen: es wird im real life diskutiert über die twitteraris als wären es characters in in einer soap opera, es gibt tweet-kritik (twitkrit) als aufwertungs- und selbstversicherungsstrategie, man feilt an seinen 140 zeichen, probiert einiges aus, balanciert aus, wie viel und in welcher form man was von sich preisgibt etc. man ist begeistert ob der bewegung, die da herrscht und es ist thrilling, teil dieser bewegung, dieses vibrierenden spinnennetzes, zu sein.
aber mit backlash meine ich eben die wechselhafte beziehung, die man zum twittern nach einiger zeit zu entwickeln scheint und die oben angesprochene erscheinungsformen annimmt.

twitter langeilt nämlich auch irgendwann. man kennt ein paar leute inzwischen aus dem real life, von den anderen hat man sich durch eben das followen und ein par direct messages ein bild gemacht. vor allem aber wird das bild, dass man dort von sich selbt entwirft irgendwann enger und es gerinnt zu freiwilliger selbstkontrolle. man fragt sich: wozu mache ich das igentlich dauernd? interessiert das überhaupt irgendwen, was ich da so von mir gebe? interessiert mich das eigentlich, was irgendwer da von sich gibt? was nehme ich mit, außer ein paar netten linkhinweisen und einblicken in das virtuelle leben anderer? was gibt einen das? was macht das mit einem (on a micro scale I mean)? wie beeinflußt es die beziehung zu den freunden im real life bzw. die man auch aus dem real life kennt?

das sind jetzt alles keine existenzellen themen, aber es ist vielleicht nicht uninteressant, sich das von zeit zu zeit zu fragen, auch, um sich eben in diesen orten der möglichen entgrenzung nicht eingrenzen zu lassen. aber es ist schwieriger als man glauben mag, sich jeden tag dort neu zu erfinden. einen komplett fiktionalen twitterer zu mimen ist aber viel, viel anstrengender. hab ich versucht. ich weiß einfach nicht, was ich da twittern soll. ich folge mit dem account völlig anderen leuten, als mit meinem eigentlichen. letzten endes ist es für mich aber doch interessanter, sich selbst zu überwinden und zu versuchen, möglichst viele aspekte der persona durch das nadelöhr des nicknames zu quetschen als sich aufzusplitten.

alles sind letzten endes versuche, mit neuen kommunikationsformen umzugehen und ein ausprobieren, ob man eigentlich das kriegt, was man gibt.

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Seit 306 Tagen
bist du mit diesem Blog online. Das sind etwa drei Twitterjahre. Und exakt das Gefühl was Du gerade mit Twitter beschreibst, hatte ich ich vor einem Jahr mit meinem Blog. Glaub mir. Das liegt nicht an Twitter. Aber auch nicht am bloggen. Das liegt immer an einem selbst. Man macht sich irgendwann selber unlocker, fängt an, sein geschriebenes Ich zu reflektieren, fragt nach irgendeinem ominösem Sinn, oder schlimmer noch: Relevanz, anstatt einfach Spaß am publizieren zu haben.

Aber keine Angst: Irgendwann macht man sich aber auch einfach wieder locker und das flutscht das wieder.

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